Der Iran ist der herpetologisch artenreichste Staat der westlichen Paläarktis. Das Naturhistorische Museum Wien pflegt seit Langem eine herpetologische Forschungskooperation mit persischen Kollegen, wobei besonders intensiver Kontakt durch Dr. Eiselt in den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bestand. In den letzten Dekaden ist die Zusammenarbeit aufgrund der politischen Situation des Landes eher ruhig geworden, obwohl im Iran sehr viele Herpetologen aktiv Forschung betreiben und auch versuchen, den Kontakt mit ausländischen Kollegen wieder herzustellen. Für uns war dieses Land aufgrund seiner extremen Biodiversität immer ein Zielgebiet, das wir besuchen wollten. Nachdem in den politischen Verhandlungen im Sommer 2015 in Wien die schrittweise Aufhebung der Wirtschaftssanktionen beschlossen wurde und sich die Gesamtsituation für Touristen aufgrund des neu gewählten Regierungschefs Hassan Rohani deutlich verbessert hatte, beschlossen wir, den Iran im Mai 2016 herpetologisch zu bereisen.
Über die aktuell einzig mögliche internationale Autovermietung Europcar versuchten wir, einen Minivan zu buchen. Da aber keiner mehr verfügbar war, wurden uns zwei Hyundai Accent (zum gleichen Preis) angeboten. Die Kosten für Mietautos sind sehr hoch (€ 2.300,- für zwei PKWs für 14 Tage), allerdings spart man sich beim Treibstoff dafür einiges (€ 0,30/l). Mit routingfähiger GPS-Karte (OSM) ist das Fahren im Iran abseits von großen Städten überhaupt kein Problem. Wir haben bewusst auf die Besichtigung von Teheran verzichtet, da uns über die Verkehrssituation in der 15 Mio.-Metropole nichts Gutes berichtet wurde. Direktflüge von Wien in den Iran sind sehr günstig. Auch wenn diese Flüge etwas teurer als Flüge über die Türkei sind, so spart man sich doch einiges an wertvoller Reisezeit. Im Gegensatz dazu ist die Organisation der Visa relativ aufwändig und zeitintensiv. Um das Visum zu bekommen, benötigt man eine Referenznummer, die man am besten über einen Reiseveranstalter besorgt. Auch hierfür legt man einiges an Geld ab, bis man schließlich ein Visum im Pass eingetragen bekommt.
Im Vorfeld nahmen wir Kontakt mit Herrn Dir. Asghar Mobaraki, dem Leiter des Naturkundemuseums in Teheran, auf. Er sagte uns zu, für ausgewählte Schutzgebiete Permits für uns zu organisieren, zudem wollte er uns noch für einige Beobachtungsstellen Kollegen als Begleitung mitschicken. Aufgrund von Kommunikationsproblemen kamen wir leider nicht dazu, die Genehmigungen abzuholen. Aber auch ohne Permits und Begleiter hatten wir während der gesamten zwei Wochen keinerlei Probleme mit Personen oder Behörden, und die Reise gestaltete sich organisatorisch problemlos. Die Anzahl der Hotels im Iran ist zwar überschaubar, dennoch hatten wir kaum Probleme, vor Ort Zimmer zu bekommen. Wir mussten unsere Reiseplanung allerdings auf Städte mit Hotels abstimmen.
Unsere geplante Reiseroute führte uns ausgehend von Teheran durch die Provinz Semnan nach Osten mit Abstechern in die Kavir-Wüste und ins südliche Elbursgebirge (Alborz) bis Sabzevar, von wo wir durch die Provinz Chorasan bis Bodschnurd fuhren und dann entlang des südlichen Kopet Dag-Gebirges zurück nach Westen in das Tiefland des Kaspischen Meeres in der Provinz Golestan mit Abstechern ins immergrüne nördliche Elbursgebirge und seine hyrkanischen Wälder. Am Ende der Reise erkundeten wir noch die Abhänge des mächtigsten Berges des Iran, des Damavand-Vulkans. Viele der besuchten Gebiete und Nationalparks zählen zum Verbreitungsgebiet des vom Aussterben bedrohten Asiatischen Geparden, von dem es angeblich nur noch etwa 50 Tiere in freier Wildbahn geben soll.
1. Mai 2016: Flug und Ankunft – Maranjab
Am ersten Mai flogen wir mit der AUA direkt von Wien nach Teheran. Da wir erst nach Mittag abflogen, kamen wir aufgrund der Zeitverschiebung von 2,5 Stunden erst nach 18:00 Uhr an. Nach Übernahme der Mietautos machten wir uns auf den Weg nach Süden. Unser erstes Ziel hatten wir kurzfristig eingeschoben. Es handelte sich dabei um die Karawanserei Maranjab in der Kavir Wüste, zu der eine geschätzte Fahrzeit von 3,5 Stunden kalkuliert wurde. Die kostenpflichtige, aber äußerst günstige Autobahn nach Süden ist in einem hervorragenden Zustand, allerdings werden die Geschwindigkeitslimits über stationäre Radarboxen streng kontrolliert. An der Stadt Ghom verfinsterte sich der Himmel und als wir vor Kaschan abfuhren, war es bereits stockdunkel. Die letzten 50 km mussten wir auf einer unbefestigten Straße durch die Wüste fahren, was ohne Navigationssystem unmöglich gewesen wäre. Auf dieser Strecke begegneten uns nur ganz wenige Autos. Als die Wüste von Geröll auf Sand wechselte, mussten wir eine Passage mit Vollgas nehmen, um nicht stecken zu bleiben. Einheimische wiesen uns darauf hin, dass hier die Straße durch einen Sandsturm verlegt war und zeigten uns die beste Strecke durch den Sand für unsere 2-Rad-getriebenen Autos.
Im Sand leuchteten und reflektierten überall kleine Lichter, die wir als Spinnenaugen einschätzten. Bei einer kurzen Pause stellten wir aber fest, dass es sich neben Spinnen auch um Augen von Wundergeckos der Art Teratoscincus keyserlingii handelte. Die wunderschönen nachtaktiven Geckos kommen hier in einer sehr hohen Dichte vor. Während unserer Pause plauderten wir kurz mit vorbeikommenden Russen, die von Moskau mit ihrem PKW angereist waren und das gleiche Ziel wie wir hatten.
Wir erreichten schließlich die Karawanserei um 23:00 Uhr und fragten nach einer Unterkunft. Wir bekamen einen kleinen Raum mit Betonboden und Teppich zugewiesen, konnten aber dann doch noch einige Decken für die Nacht organisieren. Einer der Hausherren kochte uns auch noch einen Tee und eine „Eierspeis“ mit Paradeisern - eine Speise, der wir noch des Öfteren während unserer Reise begegnen sollten. Gestärkt und aufgrund des Zeitunterschiedes noch putzmunter machten wir uns sogleich auf die erste Nachtexkursion im Umfeld der Karawanserei auf. Obwohl die Sanddünen nur wenige 100 m entfernt waren, fanden wir diese aufgrund der Dunkelheit leider nicht. Franz fand beim Umdrehen eines Steines eine wohlgenährte Sandrennnatter (Psammophis schokari). Überall leuchteten die Augen der Wundergeckos und schließlich zeigten sich beim Zähneputzen im Bereich des Sanitärbereichs noch einige Exemplare von Cyrtopodion scabrum. Unsere erste Nacht mussten wir sodann auf ziemlich hartem Untergrund verbringen, während die Hausherren auf Matratzen mit gefederten Lattenrosten im Innenhof nächtigten.
2. Mai 2016: Maranjab – Dasht-e-Kavir – Garmsar
Um 07:15 Uhr ging die Sonne auf und erhellte den ausgetrockneten Salzsee im Hintergrund der Karawanserei sowie die Sanddünen im Vordergrund. Nach einem Frühstück – diesmal mit Spiegelei – erkundeten wir die Sanddünen, in welchen bereits etliche Kamele nach Futter suchten. Es zeigten sich einige Vertreter der Art Phrynocephalus scutellatus, die kleinsten der vielen im Iran vorkommenden Krötenkopfagamen, die häufig einen lila Fleck auf dem Rücken aufweisen. Mit Trapelus agilis kommt eine weitere Agamenart vor, die sowohl sandige wie auch harte Substrate bewohnt. Überall im Sand waren Spuren von Ophiomorus maranjabensis zu sehen, einem kleinen nachtaktiven endemischen Skink. Wir konnten kein lebendes Tier finden aber Franz entdeckte ein totes Exemplar, das möglicherweise durch Walzenspinnen (Solifugen, Camel spider) umgekommen ist.
Etwas weiter im Osten erreichen die Sanddünen wesentlich größere Ausmaße als an der Karawanserei. Nach kurzer Suche bemerkten wir überall Waranspuren, und schließlich entdeckte Richard den Wüstenwaran in einem kleinen Sandloch. Varanus griseus caspius unterscheidet sich von der Nominatform durch seine deutlichen Rückenstreifen. Der Waran bevorzugt Lebensräume mit relativ starkem Pflanzenbewuchs. Etwas weiter zum Salzsee hin hört die Vegetation fast ganz auf und wir staunten nicht schlecht, als wir dort große Krötenkopfagamen herumflitzen sahen. Es handelte sich dabei um Phrynocephalus maculatus, eine weit verbreitete Art, die hier ebenfalls syntop mit Trapelus agilis vorkommt.
Ein Grund für unseren Abstecher in die Kavirwüste war das Vorkommen von zwei endemischen Eidechsenarten, die wir hier zu finden hofften. Den gesamten Vormittag hindurch ließen sich aber keine Lacertiden blicken, erst gegen 14:00 Uhr entdeckten wir zwei Exemplare von Eremias andersoni, einer gestreiften Art, die sich von den anderen gestreiften Eremias-Arten nur schwer unterscheiden lassen. Die zweite Art – Eremias kavirensis – konnten wir leider nicht finden. Um 15:00 Uhr machten wir uns auf den Weg nach Norden, da wir bis Semnan über 400 km zurücklegen mussten. Am helllichten Nachmittag verdunkelte sich plötzlich der Himmel. Der Grund war ein unglaublich heftiger und dichter Sandsturm, der uns zuerst auf dem Weg von West nach Ost verfolgte und uns schließlich einholte und verhüllte. Ein Aussteigen aus dem Auto war schier unmöglich. Zeitweise konnten wir nur noch Schritttempo fahren und auch die Mautstationen waren unbesetzt. Wir beschlossen aufgrund der Umstände, 100 km weniger bis Garmsar zu fahren, da es dort auch ein Hotel gab.
Das Hotel Peyvand in Garmsar war allerdings das einzige auf unserer Reise, das ausgebucht war. Kurzerhand brachte uns aber der Hotelbesitzer bei seinem Vater in der Stadt unter, der kurzfristig seine Enkelkinder ausquartierte und uns ein Großraumzimmer zur Verfügung stellte. Nach dem Abendmahl in der Stadt – meist gab es Spieße vom Huhn oder Lamm – beschädigten wir an einem der Autos die Getriebeölwanne, da wir auf eine Eisenstange auffuhren, die aus dem Boden ragte. Unglücklicherweise verloren wir dadurch Getriebeöl, da wir ein Loch in der Ölwanne hatten. Es war bereits nach 23:00 Uhr, als wir den betagten Hausherrn weckten, der ein wenig Englisch sprach. Wir zeigten und schilderten ihm unser Problem und kurzerhand organisierte er für uns einen Abschleppdienst, der unser Auto gemeinsam mit Gerald und Christoph im Schlepptau zu einer Werkstätte fuhr. Damit nicht genug, ein russischer Mechaniker reparierte das Auto und schweißte das Loch über Nacht und am nächsten Morgen organisierten wir mit unserem Hausherrn - durch Abklappern mehrerer Werkstätten - geeignetes Getriebeöl, sodass wir bereits zu Mittag unsere Reise fortsetzen konnten. Uns allen fiel ein Stein vom Herzen und wir bedankten uns recht herzlich bei all unseren Helfern.
3. Mai 2016: Garmsar – Semnan – Damghan
Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg nach Semnan. Unser Weg nach Osten führte uns während der nächsten Tage hauptsächlich entlang der alten Seidenstraße. Bereits in der Antike z.B. bei Herodot gab es Beschreibungen dieser historischen Handelsroute. In dem von uns bereisten Abschnitt ist sie heute eine gut ausgebaute mehrspurige Asphaltstraße mit getrennten Richtungsfahrbahnen. Wir erkundeten die südlichen Ausläufer des Elburs-Gebirges nördlich von Semnan. Im Gegensatz zum Norden des Elburs-Gebirges ist der Süden bereits sehr trocken und wüstenhaft. Als wir unsere erste Stelle anfuhren, war es gerade 14:00 Uhr und bereits recht heiß. Dementsprechend gestaltete sich die Suche nach Reptilien sehr schwierig. Der Kaspische Bogenfingergecko – Tenuidactylus caspius, den wir in Georgien und Armenien vergeblich suchten, fanden wir hier erstmals. Er sollte ein regelmäßiger Begleiter auf dieser Reise bleiben. Ein weiterer Gecko – Bunopus crassicauda, eine Art aus einer Gattung, die wir aus dem Oman bereits kannten, versteckte sich in kleinen Steinhöhlen. Schließlich fanden wir noch ein außergewöhnlich silbergrau gefärbtes Männchen von Eumeces schneideri. Alle sonst (auch auf dieser Reise) gefunden Tiere waren im Gegensatz dazu eher braun gefärbt. Als letzte Art dieser trockenen Steinhänge entdeckten wir noch ein trächtiges Weibchen der Schlangenaugeneidechse. Diese Art kommt zwar bis weit in den Osten des Iran vor, gilt hier – am Rand ihrer nordöstlichen Arealgrenze – aber eher als selten.
Am frühen Abend besuchten wir die Oase Darjazin nördlich von Semnan. Im Ortszentrum kauften wir Erfrischungen ein und entdeckten in einem Alkoholglas eine eingelegte Schlange, die der Ladenbesitzer als Kobra bezeichnete. Anhand von Details auf den Fotos mussten wir später aber feststellen, dass es sich um eine harmlose Natter der Gattung Hemorrhois handelte. In der grünen Oase wurden Weintrauben, Granatäpfel und Gemüse angebaut. Leider waren die Gärten nicht gut zugänglich, aber entlang der Zäune tummelten sich viele Goldmabuyen. Diese Art hat in den letzten Jahren eine bewegte Nomenklatur durchgemacht. Ursprünglich hieß dieses Taxon Mabuya aurata transcaucasica, dann spaltete sich die Gattung auf und während nur noch die amerikanischen Langschwanzskinke den Namen Mabuya behielten, bekamen die paläarktischen Mabuyen den Namen Trachylepis.
Erst kürzlich wurde nun auch die Gattung Trachylepis aufgespalten und die Mabuyen des Nahen Ostens erhielten den Namen Heremites. Die nordöstlichen Tiere der Unterart transcaucasicus werden mittlerweile gemeinsam mit der südöstlichen Nominatform der Art Heremitesseptemtaeniatus zugerechnet, was unserer Einschätzung nach zumindest phänotypisch richtig erscheint. Auf lehmigem Untergrund entdeckten wir schließlich noch eine Mesalina watsonana, eine nahe Verwandte der Art M. guttulata. Am späteren Nachmittag machten wir uns auf den 120 km langen Weg von Semnan nach Damghan. Unterwegs konnten wir keinerlei attraktive Habitate finden. In Damghan checkten wir in das qualitativ gute Damghan Tourism Hotel für eine Nacht ein. Da uns schön langsam das Geld ausging, versuchten wir, in der Stadt Damghan Geld zu wechseln. Wir hatten fast nur noch Euro, da unsere Dollarvorräte für die Kaution der Autos herhalten mussten. Die Geldautomaten spuckten für uns aufgrund der US-Sanktionen kein Geld aus und so mussten wir Bargeldvorräte für die gesamte Reise mitnehmen.
In den Banken von Damghan wurden wir allerdings nur verwundert angeschaut und schließlich schickte uns ein Filialleiter in die Fußgängerzone zu einem Schmuckhändler. Der Goldschmied wollte zwar lieber Dollar, nahm dann aber auch mit unseren Euros vorlieb. Er verließ mit dem übergebenen Bargeld (600 €) das Geschäft, auf welches wir in seiner Abwesenheit aufpassen sollten. Nach etwa 20 Minuten kam er mit einem dicken Bündel an Scheinen zurück und, nachdem wir mehrmals gemeinsam nachgezählt hatten, verließen wir zufrieden das Schmuckgeschäft, denn der vereinbarte Wechselkurs war recht ordentlich. Auf unserer Reise war dies seit diesem Zeitpunkt die Art, wie wir immer an iranisches Bargeld kamen.
Tenuidactylus caspius, the Caspian Bent-toed Gecko is a common gecko in this area. -
Tenuidactylus caspius, der Kaspische Nacktfinger- oder Bogenfingergecko, ist hier ein häufiger Gecko.
Tenuidactylus caspius
4. Mai 2016: Damghan – Badele Kuh – Schahrud
An diesem Tag war ein Abstecher in die Berge nördlich von Damghan geplant, um dort das kleine „Pamukkale des Iran“ zu besuchen, die Sinterterrassen von Badap Soort. Wir verließen uns auf unser Navigationssystem und fuhren Richtung Norden, wo wir unterwegs an einigen Stellen an einem Bachlauf stehen blieben und unsere ersten Amphibien fanden. Neben Kaulquappen der Wechselkröte – Bufo variabilis, waren hier auch etliche Seefrösche – Pelophylax cf. bedriagae anzutreffen. Uns interessierten aber vor allem die Eidechsen, die wir als Eremias kopetdaghica identifizierten, eine ehemalige Unterart von E. strauchi. Die flinken Eidechsen waren hier in hoher Anzahl anzutreffen. Als weitere Art konnten wir hier eine farbenprächtige sonnende Trapelus agilis nachweisen.
Zwischen Kalateh und Badele Kuh wurde die Landschaft immer gebirgiger und ein merklicher Wandel der Vegetation war bemerkbar. Nun waren nicht nur die Bachläufe begrünt, sondern auch die Abhänge waren mit vielen Sträuchern und Blütenpflanzen bewachsen. Unter Eremias kopetdaghica mischten sich auch einige Vertreter von Eremias persica und Ophisops elegans entlang des Baches. An einem Hügel am Rand von extensiv-landwirtschaftlich betriebenen Äckern wurde eine komplett andere Reptilienfauna festgestellt: Kaukasusagamen (Paralaudakia caucasia) stellten sich auf einzelnen Felsen zur Schau. In kleinen Schotter- und Geröllfeldern huschten kleine Johannisechsen (Ablepharus pannonicus) umher. Auch zwei flinke Echsenjäger, Schlangen der Art Platyceps najadum, konnten hier nachgewiesen werden. Ein Tier befand sich gerade in Häutung. Die Fleckung dieser hier vorkommenden Nominatform weicht deutlich von derjenigen der Europäischen Unterart dahlii ab.
Nach diesem Stopp kurz vor Badele Kuh erwarteten wir nun eine Querstraße zum nahegelegenen Badap Soort, die sich aber als Steig entpuppte, und so mussten wir nur 10 km vor unserem eigentlichen Ziel umkehren, da der Umweg zum Ziel über 200 km betrug und die Zeit bereits fortgeschritten war. Wir fuhren zurück nach Damghan und noch 70 km weiter nach Osten zu unserer nächsten Station in Schahrud, wo wir in das ziemlich teure Luxushotel Paramyda (50 Euro pP) mit einer sehr geräumigen Riesenwohnung (und leider auch zahlreichen Moskitos) eincheckten.
5. Mai 2016: Schahrud – Haji Aligholi-Sandwüste - Sabzevar
Zeitig in der Früh machten wir uns auf, die südlich der Stadt Schahrud gelegenen Sandwüsten östlich des Aligholi-Salzsees zu besuchen. Am Stadtrand von Schahrud sonnten sich bereits am frühen Morgen etliche Kaukasusagamen. An unserem ersten Halt südlich der Stadt an einer salzigen Lehmwüste beobachteten wir einige Eidechsen, die wir zuerst als E. kopetdaghica einstuften. Später identifizierten wir diese Art anhand der Fotos allerdings als Eremias velox velox, einer nahe verwandten Art. Auf etlichen Steinen entlang der Straße sonnten sich die bereits bekannten Agamen der Art Trapelus agilis. Die ersten sandigen Bereiche waren etwa 70 km von der Stadt entfernt. Dabei handelt es sich um kleinere Sanddünen, die nach Süden hin höher werden. Im Übergangsbereich zum Sand hin beobachteten wir zwei verschiedene Eidechsenarten; eine gestreifte Art, die wir als Eremias fasciata einstuften und eine gefleckte Art, bei der es sich um Eremias nigrocellata handeln dürfte. Beide Arten haben im Gebiet auch Doppelgänger, nämlich die gestreifte Eremias lineolata, die wir weiter östlich finden konnten und Eremias intermedia, die gefleckte Art, die aber erst im äußersten Osten des Irans vorkommen dürfte. Als wir im Bereich von straßenquerenden Kanälen noch einige Kaspische Geckos fotografierten, kam bereits am späten Vormittag innerhalb von kurzer Zeit wieder ein starker Sandsturm auf, der ein weiteres Suchen unmöglich machte. Richard konnte noch einen Fuchs fotografieren, aber wir mussten unsere Suche abbrechen und strichen auch die geplante Nachtexkursion in den Sanddünen aufgrund des schlechten Wetters. Stattdessen kehrten wir wieder zurück und fuhren 250 km weiter nach Osten bis Sabzevar, dem östlichsten Punkt unserer Reise. Wir checkten im Kamelia Hotel in Sabzevar ein und legten fest, hier zweimal zu nächtigen, da die Gegend laut Literatur recht vielversprechend ist.
Am Abend beschlossen wir, obwohl wir das Gebiet überhaupt nicht kannten, eine kurze Nachtexkursion zu machen. Etwa 15 km südlich der Stadt stoppten wir in einer lehmigen, von Büschen durchsetzten Wüste. Trotz intensiver Suche konnten wir kein einziges Reptil finden. Ein Pferdespringer ließ sich zutraulich beobachten, und große Taranteln leuchteten silbrig mit ihren Augen aus den Höhlen. Weitere 15 km weiter südlich suchten wir auf einem steinigen trockenen Hügel nach (den scheinbar sehr spärlich vorhandenen) Reptilien. Erst am Ende einer 1-stündigen Suche fand Christoph eine große attraktive Diademnatter, Spalerosophis diadema, die sich allerdings nicht gerne fotografieren lassen wollte. Somit endete der an und für sich enttäuschende Tag doch noch mit einer netten Überraschung.
6. Mai 2016: Sabzevar – Sanddünen bei Malvand
Wir starteten unsere Tour wieder sehr zeitig in der Früh in Richtung Südwesten. Wir wussten, dass es etwa 60 km von Sabzevar entfernt Sanddünen geben soll, wo das Vorkommen von Phrynocephalus mystaceus gemeldet worden war. Bereits kurz nach 8 Uhr in der Früh erreichten wir erste niedrige Sandlinsen, die bereits sonnenbeschienen waren und es dauerte nicht lange, bis wir die ersten Bärtigen Krötenkopfagamen beobachten konnten. Im Vergleich zu seinen Gattungsverwandten ist diese Art wesentlich größer, sieht wirklich spektakulär aus und bewegt sich außergewöhnlich schnell. Zum Glück bleiben die Tiere nach kurzer Flucht stehen und lassen sich mit der Zeit leicht beobachten. Nach dem Ende der Flucht rollen sie mehrmals ihren Schwanz auf und wieder ab. Bei manchen jungen und weiblichen Tieren ist die Unterseite des Schwanzes leuchtend orange gefärbt. Leider konnten wir bei keinem der vielen aktiven Tiere das berühmte Ausstülpen der namensgebenden Bärte beobachten, das normalerweise eine Abwehrreaktion gegen Angreifer darstellt.
Im gleichen Lebensraum konnten wir das Vorkommen von Eremias lineolata, einer weiteren gestreiften Eidechsenart, feststellen, die äußerlich durch einen Laien kaum von E. fasciata oder E. andersoni unterschieden werden kann. Auch die beschriebenen Pholidoseunterschiede sind phänotypisch nur schwer zu erkennen. Auf etwas härteren Substraten kamen die Arten Trapelus agilis und Mesalina watsonana vor.
Das besuchte Gebiet war eines der besten und „artenreichsten“ der gesamten Reise. Als Straßenopfer konnten wir zwei frisch überfahrene Schlangen der Art Platyceps karelini fast an der gleichen Stelle auch noch eine überfahrene Lytorhynchus ridgewayi sowie einen ziemlich zerquetschten Wüstenwaran nachweisen; ein weiterer wäre uns fast ins Auto gerannt, verkroch sich aber sofort in ein Loch, bei dem unsere Ausgrabungsbemühungen aber leider umsonst waren. Einige Tiere der Art Bunopus tuberculatus komplettierten die Funde während des Tages. Wir beschlossen, nach einem kurzen Nickerchen im Hotel nochmals in den Bereich der Sanddünen zu fahren, um eine Nachtexkursion abzuhalten. Als häufigste nachtaktive Art stellte sich wieder Teratoscincus keyserlingii heraus, deren Augen überall leuchteten. Daneben fanden wir einige kleine sandbewohnende Geckos der Art Crossobamon eversmanni sowie in felsiger Umgebung einen weiteren Gecko, den wir zuerst als Bunopus einstuften. Zu Hause mussten wir feststellen, dass es sich um Mediodactylus spinicauda handelte.
In der Dunkelheit waren einige Langohr-Igel auf Nahrungssuche unterwegs. Christoph fand eine weitere, diesmal etwas kleinere Diademnatter und während der Rückfahrt lag auch noch eine frisch überfahrene Sandboa, Eryx tataricus, am Rand einer Ortschaft. Alles in allem war dies ein erfolgreicher Tag, allerdings hätten wir die überfahrenen Arten gerne lebend gesehen.
7. Mai 2016: – Sabzevar – Bodschnurd
Unsere weitere Reiseroute führte uns ab jetzt direkt nach Norden, von Sabzevar ausgehend in Richtung Bodschnurd, der Hauptstadt der Provinz Nord-Chorasan. Auf dieser Strecke müssen zwei Mittelgebirge überquert werden, die beide sehr trocken sind und herpetologisch wenig Reizvolles für uns zu bieten hatten. Auf dem ersten Berg suchten wir an einem Bachufer, das von den Einheimischen oft zum Picknick genutzt wird. Neben Mesalina watsonana und einer diesmal typisch braunen Eumeces schneideri konnten wir erstmals auch eine Wurmschlange – Xerotyphlops vermicularis nachweisen. Auch an der zweiten Gebirgsüberquerung fanden wir wieder eine Wurmschlange, deren nächstgelegene Fundorte laut Literatur im zentralen Elbursgebirge und an der afghanischen Grenze im Osten liegen, also jeweils ca. 400 km Luftlinie entfernt.
Nachdem wir uns im „Hotel Negin“ in Bodschnurd einquartiert hatten, erkundeten wir am späteren Nachmittag noch die südlichen Ausläufer des Kopet Dag-Gebirges östlich der Stadt. Im Gegensatz zu den vorherigen wüstenhaften Mittelgebirgen besitzt diese Landschaft bereits Steppencharakter und die Abhänge sind von dichtem Gras überzogen, das allerdings stark beweidet wird. Neben Heremites septemtaeniata und Eumeces schneideri waren wieder die felsenbewohnenden Kaukasusagamen am häufigsten zu finden. Als neue interessante Art kam hier die Zwergnatter Eirenis medus dazu, von der wir zwei unterschiedlich gezeichnete Exemplare finden konnten. Eine weitere auch hier zu erwartende Art war die Vierzehenschildkröte – Testudo horsfieldii. Nachdem wir einige Bilder der Schildkröte geschossen hatten und kurz unaufmerksam waren, war sie in der eigentlich übersichtlichen Landschaft verschwunden und nicht mehr auffindbar. Auch hier fanden wir wieder ein Exemplar der Wurmschlange. Da wir uns an dem relativ kühlen Abend keine Tiere erwarteten, verzichteten wir auf die Nachtexkursion und gingen früh schlafen.
8. Mai 2016: Bodschnurd - Kopet Dag - Minudasht
Von Bodschnurd starteten wir entlang der südlichen Abhänge des Kopet Dag-Gebirges in Richtung Westen. In diesem Gebiet kommen einige spezialisierte Steppenarten vor, zum Beispiel Testudo horsfieldii. Als weitere Arten dringen hier auch zwei Agamen – Paralaudakia erythrogaster und Trapelus sanguinolentus von Nordosten in das Gebiet ein. P. erythrogaster besiedelt im Gegensatz zu den felsenbewohnenden Kaukasusagamen eher Rohböden auf Steppenabhängen. Die Unterscheidung ist zwar nicht immer einfach, aber durch die weiß-grau gefleckte Rückenfärbung weicht sie von ihrer Schwesternart ab. Trapelus sanguinolentus konnte von uns im Gelände nicht von T. agilis unterschieden werden und wird zeitweise auch als Unterart derselben gehandelt, wobei genetische Untersuchungen gezeigt haben, dass die beiden Arten nicht näher miteinander verwandt sein dürften. Wo genau die Übergangszone liegt, ist allerdings noch nicht klar.
Als ein Highlight unserer Reise kann der Fund von Eurylepis taeniolatus gesehen werden, einer Skinkart, die ebenfalls in den Steppen des Kopet Dag vorkommt. Richard fand ein Adult- und ein Jungtier gemeinsam unter einem Stein. Die Skinke haben leuchtend orange Bäuche und blaue Schwänze mit schwarzen Streifen. Leider verlieren die Skinke sehr leicht ihre Schwänze (alleine vom „Hinsehen“). In Bereichen, wo steile Felsen aus der Steppe herausragen, kamen neben Kaukasusagamen auch Pfeifhasen (Ochotona rufescens) in hohen Dichten vor. Die kleinen Hasen verloren rasch ihre Scheu und ließen sich aus kurzer Distanz fotografieren.
Die trockenen Steppenabhänge änderten in der Nähe von Golidagh auf einen Schlag ihren Charakter; exakt dort, wo wir einen überfahrenen Scheltopusik (Pseudopus apodus) auf der Straße liegen sahen. Am Himmel tauchten immer mehr Wolken auf; zudem wird hier die Landschaft intensiv landwirtschaftlich genutzt. Plötzlich waren kaum mehr Flächen zu finden, die uns als Herpetologen ansprachen – überall nur Getreideäcker oder dichte Laubwälder. In der östlichen Kaspischen Ebene erkundeten wir den Dorfhügel des kleinen Ortes Dahaneh, an dem Lacerta strigata als typische Vertreterin dieser Landschaft erstmals gefunden wurde. Der zuständige Gärtner zeigte uns stolz eine von ihm erschlagene, sicherlich 1,70 m lange Dolichophis schmidti. Aufgrund der vielen Schaulustigen suchten wir bald das Weite und nahmen uns eine Unterkunft in Minudasht. Die Gegend ist mehrheitlich turkmenisch besiedelt. Beim Abendessen lernten wir einen großen Teil der Wirtsfamilie kennen, und Franz fuhr mit dem Juniorchef auf dem Moped zum Geld-Wechseln. Helmpflicht ist in dieser Gegend unbekannt.
9. Mai 2016: Gonbad - Kaspische Tiefebene - Gorgan
Am nächsten Morgen staunten wir nicht schlecht, als es stark und ausdauernd regnete. An eine Suche war aufgrund dieser Witterungsverhältnisse nicht zu denken. Wir besuchten die Turkmenenhochburg Gonbad-e-Qabus und besichtigten den mächtigen Turm der Ziariden, den die Dynastie um 1000 n.Chr. als Machtsymbol erbauen ließ. Der Turm mit einem Durchmesser von ca. 10 m und einer Höhe von knapp 70 m wurde komplett ohne Horizontalaussteifung gebaut und gilt als Meisterwerk früher islamischer Baukunst. Da es nicht aufhörte zu regnen, begriffen wir schön langsam, warum das Gebiet so grün und fruchtbar ist. Während kurzer Regenpausen erkundeten wir einen vulkanischen Hügel an einem See in der Kaspischen Ebene. Außer Seefröschen und Streifensmaragdeidechsen konnten wir hier unsere erste Würfelnatter – Natrix tessellata finden.
Nach kurzer Zeit waren wir wieder von vielen jugendlichen Schaulustigen umgeben, sodass wir beschlossen, trotz des Regens in Richtung turkmenischer Grenze nach Norden zu fahren, um dort nach Phrynocephalus helioscopus zu suchen. Der Regen wurde leider wieder intensiver - und so wurde während einer langen Suche kein einziges Reptil gesichtet. Als einzige nennenswerte Beobachtung sind Spuren von Leoparden im Schlamm sowie Smaragdspinte (Merops orientalis) und einige Watvögel (vor allem Stelzenläufer, Himantopus himantopus) zu erwähnen. Enttäuscht fuhren wir zurück Richtung Gorgan und fanden an einer künstlichen Lehmgrube, wo gerade junge Rötelfalken (Falco naumanni) ausgeflogen waren, einige Kaspische Geckos und viele junge Wechselkröten – Bufotes variabilis. Der Tag war aus herpetologischer Sicht zu vergessen, und leider meldete der Wetterbericht Dauerregen für die nächsten drei bis vier Tage. Am Abend besichtigten wir die Stadt Gorgan und deckten uns mir Gewürzen ein. Wir quartierten uns in der Stadt Fazelabad östlich von Gorgan ein und beteten für besseres Wetter.
10. Mai 2016: Shirabad - Albroz - Schahrud
Am Morgen schüttete es wie aus Kübeln, daher beschlossen wir, die Gorganmolche in Shirabad zu (be)suchen. Als wir uns der Ortschaft näherten, wurden wir von lokalen Behörden gestoppt, die uns mitteilten, dass die Zufahrtsstraße aufgrund von Hochwasser gesperrt ist und auch die Brücke unter Wasser steht. Es war also unmöglich, zur Höhle zu gelangen, und der Wetterbericht sagte noch immer mehrere Tage Dauerregen voraus. Wir fassten den Beschluss, nochmals das Alborzgebirge in Richtung Süden zu überqueren, da hier bei dieser Wetterlage keine Reptilien aktiv waren. Zur Überquerung wählten wir die 2-h-Route Tusketan – Chahar Bagh – Bastam (120 km). In den verregneten grünen Nordabhängen blieben wir einmal stehen und versuchten unser Glück. Wie fast zu erwarten war, fanden wir eine Blindschleiche – Anguis colchica unter einem Stein. Flusskrabben der Gattung Potamon waren an einem nahen Bach fast unter jedem Stein zu finden. Nahe der Passhöhe noch auf nördlicher – also feuchtgrüner Seite – entdeckten wir die zweite im Iran heimische Johannisechse – Ablepharus bivittatus unter Steinen. Im Vergleich mit A. pannonicus, die wir etwas weiter südlich wieder fanden, ist diese Art etwas größer und auch kontrastreicher gefärbt. Am Gebirgskamm schlug das Wetter plötzlich um, und die Sonne kam heraus. Hier konnten wir wieder die typischen Gebirgsarten des südlichen Alborzgebiges wie Kaukasusagame, Schlangenauge und Schlanknatter, sowie Wechselkröten finden.
In der kleinen Stadt Bastam nördlich von Schahrud fanden wir eine sehr angenehme luxuriöse Unterkunft. Nach einem ausgiebigen Abendessen besuchten wir während der Nacht die Sanddünen südlich von Schahrud, die wir bereits kannten, wo uns aber ein Sandsturm beim ersten Mal überrascht hatte. Auch diesmal kam wieder sehr starker Wind auf und so verlegten wir uns auf einen besser windgeschützten Bereich im Süden der Dünen. In den Dünen konnten wir überall Exemplare von Teratoscincus keyserlingii in unterschiedlichen Altersstufen und in hoher Anzahl finden, aber am Rand der Dünen bemerkten wir, dass die Wundergeckos anders aussahen. Es handelte sich dabei um eine andere Art – Teratoscincus bedriagai. Diese Art ist etwas kleiner, nicht so farbenfroh wie T. keyserlingii und bewohnt eher die Randbereiche der Dünen, wo sie auch auf härterem Substrat vorkommt. Außer den beiden Wundergeckoarten konnten wir keine weiteren Reptilienarten finden..
11. Mai 2016: Damghan - Badap Soort - Sari
An diesem Tag machten wir einen zweiten Anlauf, um die Sinterterrassen von Badap Soort zu besuchen. Wir fuhren von Schahrud nach Damghan, dann die uns bereits bekannte Straße nach Astane und machten dort einen kurzen Halt. Neben den bereits von dort bekannten Arten wie Seefrosch, Goldmabuye und Kopet-Dag-Eidechse fanden wir eine riesige Würfelnatter am Ufer eines Baches, die sich gerade vollgefressen hatte. Nach diesem Stopp umfuhren wir nun die nördlichen Berge in westlicher Richtung und erreichten nach einem ausgiebigen Mittagessen die wirklich sehenswerten Sinterterrassen von Badap Soort.
Die Einheimischen haben sich bereits auf Touristen eingestellt und verlangen „Gebühren“ für den Parkplatz, das WC und natürlich auch für den Traktortransport und eine kleine Führung an den Sinterterrassen. Allerdings sind diese „Ortstaxen“ durchaus leistbar und der Ansturm ist (noch) recht gering, sodass man das gesamte Gebiet noch ohne Besucherlenkung betreten kann. Neben stark salzhaltigen Quellen an den Sinterterrassen gibt es auch Süßwasserquellen. Das Hauptquellbecken ist angeblich 20 m tief. Die Besichtigung ist auf jeden Fall spektakulär und die Reise wert! Direkt angrenzend an die Becken ist eine mit Sträuchern durchsetzte Landschaft, in der wir viele Scheltopusiks (Pseudopus apodus) beobachten konnten. Einige Kilometer talabwärts von den Quellen bemerkten wir eine überfahrene Schlange, bei der es sich um eine Eirenis punctatolineatus handelte. Wir blieben stehen, suchten das Kulturland ab und fanden tatsächlich auch ein lebendes Exemplar und eine weitere Zwergnatter, die von J. Schmidtler als Eirenis medus identifiziert wurde. Als wir zu den immergrünen hyrkanischen Wäldern zurückkehrten, begann es wieder zu regnen, und bei uns machte sich langsam Verzweiflung breit. Östlich von Sari checkten wir für zwei Tage in ein Thermenhotel ein und widmeten uns am Abend ausgiebig dem Wellnessbereich, der wie zu erwarten an diesem Tag nur für Männer zugänglich war.
12. Mai 2016: Kaspisches Tiefland - Nordabhänge des Alborzgebirges
In der Früh trauten wir unseren Augen nicht, da die Regenwolken der Sonne Platz gemacht hatten. Unsere erste Station befand sich im Kaspischen Tiefland, nicht weit vom Meer entfernt an einer Lagune. Die Kanäle waren hier stellenweise sehr dicht von Kaspischen Bachschildkröten (Mauremys caspica) und Europäischen Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) besiedelt, die in regelmäßigen Abständen von den einheimischen Fischern geangelt und danach mit einem blutigen Maul in den Acker geworfen wurden. Das Verhältnis von gefangener Schildkröte zu Fisch lag etwa bei 5:1. Neben einigen Würfelnattern beobachteten wir auch mehrere Ringelnattern (Natrix natrix) aber auch eine andere schwarze schwimmende Schlange (keine Natrix), bei der es sich um Dolichophis jugularis gehandelt haben dürfte; von dieser Art konnten wir aber leider kein Exemplar fangen. Als weitere Arten sind Seefrösche, Wurmschlangen und Streifensmaragdeidechsen zu nennen. Wir hatten seit dem Sandsturm am zweiten Tag einen Stein im Radkasten eines Autos, der immer wieder quietschende Geräusche beim Fahren verursachte, welche nun immer schlimmer wurden. Einige hilfsbereite Mechaniker entfernten uns dankenswerter Weise diesen Stein, ohne etwas dafür zu verlangen.
Zu Mittag klarte das Wetter auch über dem nördlichen Elburs auf und wir versuchten unser Glück südlich von Beschahr an der Schneise einer großen Stromleitungstrasse. Obwohl der Boden noch überall feucht war und dampfte, zeigten sich bereits Smaragdeidechsen und Scheltopusiks. Thomas fand eine sonnende Persische Äskulapnatter (Zamenis persicus) und kurz darauf eine große Pfeilnatter (Dolichophis schmidti). Der Fund dieser beiden großen Schlangen war wichtig für unsere Moral nach so viel Wetterpech am Kaspischen Meer. Etwas höher gelang uns auch der Fund des lokalen Braunfrosches – Rana pseudodalmatina, manchmal auch als Unterart von R. macrocnemis geführt, sowie der heimischen Waldeidechse – Darevskia caspica und einigen Blindschleichen. Die attraktiven grünlichen Kaspischen Eidechsen sonnten sich auf Baumstämmen, Ästen und Zweigen. Sie gehören in den Verwandtschaftskreis von D. chlorogaster und wurden erst kürzlich beschrieben. Am Abend besuchten wir noch ein Strandbad am Kaspischen Meer, das umrandet von Hafenanlagen und Industriebetrieben war. Deshalb und aufgrund des starken Windes war uns nicht wirklich nach Baden zumute.
13. Mai 2016: Quem Schahr – Firuzkuh – Polour – Larijan
An diesem Tag stand die Querung des Alborzgebirges in Richtung Südwesten an. Wir beschlossen, die östlichere Überquerung zu nehmen und blieben erstmals am Pass bei Gadook stehen. Hier war die Landschaft zwar noch recht grün, aber bei weitem nicht mehr so feucht wie an den Nordabhängen. An einem Hochplateau, wo überall Einheimische zum Picknick versammelt waren, schwärmten wir aus. Die einzige Art, die wir hier fanden, war Darevskia schaekeli, die ebenfalls erst kürzlich beschrieben wurde und nahe verwandt mit D. defilippi ist, von der sie äußerlich kaum unterschieden werden kann. Thomas wurde während seiner Suche von Rangern kontrolliert, die aber aufgrund von Kommunikationsproblemen bald weiterfuhren. Nach Firuzkuh querten wir das Gebirge in Ost-West-Richtung entlang eines Tales, in dem wir einige Male stehen blieben und suchten. Unser Ziel war die Grubenotter Gloydius halys, die hier vorkommen soll. Leider fanden wir immer nur die Gebirgseidechsen Darevskia defilippi sowie Kaukasusagamen. Die Gebirgshänge und Hochebenen standen in voller Blüte, besonders erwähnenswert ist das Vorkommen von gelben und roten Wildtulpen. Auffällig waren auch grüne, moosähnliche Polster von beachtlicher Größe – über einen Meter lang und einen halben Meter hoch. Es handelte sich dabei aber nicht um Moose sondern um eine Blütenpflanze, nämlich das Polster-Gipskraut. Die großen polsterartigen Gebilde dienen der Wasserspeicherung.
In dieser Gegend ist der mächtige Vulkan Damavand mit seinen 5610 m Seehöhe und seinem immer schneebedeckten Gipfel allgegenwärtig. Der höchste Berg des Iran mit seinem vorgelagerten Lar-Tal ist ein beliebtes Ausflugsziel der Hauptstädter an den Wochenenden. Da wir für den letzten Tag das Ziel Lar-Tal hatten, suchten wir in der Gegend von Polour nach einer Unterkunft, wurden aber nicht fündig. So fuhren wir auf das Hochplateau in die Kurortschaft Larijan, in der viele kleine Hotels mit Thermalpools für Wochenendtouristen aus Teheran zur Verfügung standen. Wir checkten ein, nahmen ein Bad im etwas heruntergekommenen Pool und hofften auf einen letzten erfolgreichen Tag.
Female Darevskia schaekeli on Gypsophila aretioides.
Darevskia schaekeli Weibchen auf Polster-Gipskraut (Gypsophila aretioides).
Am frühen Morgen fuhren wir zum Eingang des Nationalparks Lar-Tal, wurden aber ebenso wie viele andere Wartende abgewiesen. Wir nahmen Kontakt mit Ashgar Mobaraki auf, der uns eine Genehmigung zusicherte, aber auch Ashgar konnte die Wärter nicht davon überzeugen, uns einzulassen. Später erfuhren wir, dass zu dieser Zeit der Regierungschef gerade im Lar-Tal unterwegs war und deshalb keine Besucher zugelassen waren. Wir wussten, dass im Lar-Tal die drei Vipernarten Vipera eriwanensis, Montivipera latifii und Gloydius halys vorkommen. Wir beschlossen, die Bereiche vor dem Nationalpark abzusuchen, bemerkten aber zugleich, dass die Abhänge durch Beweidung degradiert waren. Dennoch sahen viele Habitate sehr vielversprechend aus und wir suchten mehrere Stunden – ohne Erfolg. Es zeigten sich allerdings prächtige Darevskia defilippi mit orangeroten Bäuchen und Kaukasusagamen in hohen Dichten. Florian konnte bei D. defilippi beobachten, wie ein adultes Männchen dieser Art solange einem Jungtier nachstellte, bis dieses den Schwanz abwarf, welcher dann vom Adult-Tier verspeist wurde. Thomas hatte dasselbe Verhalten letztes Jahr in Armenien bei Darevskia raddei beobachten können. Einzelne Wechselkröten und Goldmabuyen komplettierten unser Artenspektrum. Ziemlich enttäuscht spazierten wir zurück zu unseren Autos, wo Franz im Bereich der Picknickplätze noch einen kleinen Stein umdrehte.
Wir staunten nicht schlecht, als er dann doch noch den Fund einer jungen Halysotter – Gloydius halys vermeldete. Optisch war dies das denkbar schlechteste Habitat des gesamten Hanges. Die kleine Grubenotter ließ sich in Ruhe fotografieren und so hatten wir doch noch einen versöhnlichen Abschluss der Exkursion. Bevor wir das Elburs- oder Alborzgebirge verließen, machten wir noch ein Gruppenfoto mit dem Damavand im Hintergrund und gönnten uns eine Forelle in Polour zum Abschluss.
Für den Rückweg zum Flughafen wählten wir eine Route vorbei an Teheran durch die Ortschaft Damavand bis Evanekey hin zur Stadt Varamin. Wir wussten, dass es hier Hotels gab, hatten diese aber nicht im GPS getrackt. Eine junge Dame namens Marzie sprach uns an und fragte, was wir suchten und wo wir herkämen. Sie war offenbar sehr an uns interessiert und zeigte uns die Hotels in Varamin. Außerdem bestand die Englischlehrerin darauf, uns eine (touristische) Stadtführung durch Varamin zu geben. So hatten wir einen intensiven Abend, an dem wir den Wehrturm, die Moschee und andere kulturellen Güter der Stadt besichtigen mussten. Eigentlich hätten wir alle lieber geduscht, aber „Fräulein Marzie“ bestand in ihrer bestimmten und sehr gesprächsfreudigen Art auf der Umsetzung ihrer Pläne. Der gemeinsame Abend ging mit dem Besuch einer Eisdiele zu Ende; kurze Zeit später konnten wir im Hotel endlich todmüde ins Bett fallen.
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15. Mai 2016: Rückflug – Fazit
Am letzten Tag vereinbarten wir noch ein Treffen mit Ashgar Mobaraki, der uns für die Zukunft eine Kooperation anbot und ausdrücklich empfahl, immer mit offiziellen Genehmigungen und in Begleitung von lokalen Herpetologen im Iran zu reisen – wenn auch unsere Reise gezeigt hat, dass es durchaus möglich ist, individuell zu reisen. Die Autorückgabe klappte problemlos und vier Monate nach der Reise hatten wir auch unsere Kaution wieder rücküberwiesen bekommen, da Europcar noch abwarten musste, ob nicht etwaige Verkehrsstrafen abzuzahlen wären….
Die Reiseorganisation für ein Land wie den Iran muss gut überlegt sein, vor allem dann, wenn man ohne lokale Begleitung unterwegs ist. Es hat sich aber gezeigt, dass auch größere Probleme, wie unsere Autopanne, mit Hilfe der sehr freundlichen Bevölkerung rasch behoben werden können. Auch Alltagsschwierigkeiten wie Geld-Wechseln oder das Organisieren von Unterkünften bei vollen Hotels konnten wir immer irgendwie meistern.
Was die Herpetofauna betrifft, so hatten wir natürlich ohne Hilfe von lokalen Herpetologen nicht die Gelegenheit, spezielle Hot Spots oder bekannte Vorkommensgebiete von seltenen Arten direkt anzufahren. Wir hatten leider etwas Pech mit dem Wetter – zuerst mit Sandstürmen in der Kavir-Wüste und waren dann dem Regen am Kaspischen Meer ausgesetzt. Generell erschienen uns die Stein- und Geröllwüsten eher ausgedünnt und artenarm, auch die Pflanzendecke ist durch Weidevieh – in den Wüstenebenen Kamele, in den Bergen Ziegen und Rinder – in Mitleidenschaft gezogen. Sofern man allerdings längere Strecken in Kauf nimmt und Gebiete besucht, die in weiterer Entfernung von Großstädten liegen, so kann man durchaus fantastische Habitate mit einer außergewöhnlichen Artenvielfalt antreffen. Immerhin besitzt der Iran die letzten Lebensräume des Asiatischen Geparden, von dem wir leider – wie erwartet – keinen zu Gesicht bekamen.
Insgesamt legten wir eine Strecke von 4.150 km zurück, was sich mit dem vereinbarten Limit von 4.200 km exakt deckte. Wir konnten in den zwei Wochen insgesamt 57 herpetologische Arten nachweisen, was grundsätzlich ein zufriedenstellender Wert ist, allerdings sind dabei auch fünf Arten inkludiert, die wir entweder tot fanden (4) oder fotografisch nicht dokumentieren konnten (1). Viele von den von uns erhofften Arten konnten wir gar nicht finden, dabei ist besonders bedauerlich, dass wir die Gorganhöhle und das Lar-Tal nicht besuchen konnten.
Vom Standpunkt der Sicherheit, der Infrastruktur und der Aufbruchsstimmung im Land war die Reise ein absolut positives Erlebnis, und so blicken wir doch zufrieden auf eine äußerst interessante Exkursion zurück. Bleibt zu hoffen, dass sich die politische Situation in diesem riesigen Land mit seinen sympathischen Menschen weiter ins Positive entwickelt.
Thomas Bader, Richard Kopeczky & Christoph Riegler